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Cheating bei Computerspielen: EuGH zur Umarbeitung von Computerspielen

Am 17. Oktober 2024 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-159/23 über zentrale Fragen des Urheberrechtsschutzes von Computerprogrammen. Die Entscheidung beleuchtet, ob Eingriffe in den Arbeitsspeicher eines Computers, um Gameplay-Elemente zu verändern, eine unzulässige Umarbeitung im Sinne der Richtlinie 2009/24/EG darstellen. Das Urteil hat weitreichende Implikationen für Hersteller von Computerspielen, Entwickler von Zusatzsoftware sowie die Gaming-Community.

Der Sachverhalt

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein Rechtsstreit zwischen Sony Computer Entertainment Europe Ltd und der Datel-Gruppe, die Zusatzsoftware wie „Action Replay PSP“ entwickelte. Diese Software ermöglichte es Spielern, über die ursprünglichen Spieloptionen hinauszugehen, beispielsweise durch das Freischalten gesperrter Inhalte oder die Umgehung von Einschränkungen.

Sony argumentierte, dass diese Veränderungen in die Urheberrechte an den Spielen eingreifen, da sie eine Umarbeitung gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24 darstellten. Die Software von Datel griff nicht auf den Quell- oder Objektcode zu, sondern änderte den Inhalt von Variablen, die während des Spiels im Arbeitsspeicher angelegt wurden. Der Fall landete übrigens auf Grund einer Vorlage des BGH beim EUGH.

EUGH zum Cheating: Kurze Analyse

Schutzumfang von Computerprogrammen

Gemäß der Richtlinie 2009/24 schützt das Urheberrecht „alle Ausdrucksformen“ eines Computerprogramms, jedoch nicht die zugrunde liegenden Ideen oder Grundsätze. Der EuGH stellte klar, dass nur Elemente geschützt sind, die die Vervielfältigung oder spätere Entstehung des Programms ermöglichen. Datenvariablen, die temporär im Arbeitsspeicher angelegt werden, fallen nicht unter diesen Schutz, da sie weder den Quell- noch den Objektcode betreffen.

Umarbeitung im Sinne des Urheberrechts

Eine Umarbeitung liegt vor, wenn die Struktur oder Organisation eines Programms verändert wird. Der Gerichtshof entschied, dass die von Datel vorgenommene Änderung der Variableninhalte keine Umarbeitung darstellt, da die Funktionalität des ursprünglichen Programms nicht nachhaltig verändert wurde. Entscheidend war, dass die Änderungen ausschließlich im Arbeitsspeicher stattfanden und das Originalprogramm unberührt blieb.

Cheating und rechtliche Grenzen

Das Urteil verdeutlicht, dass das bloße Modifizieren von Spielparametern während der Laufzeit nicht per se eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Es bleibt jedoch den nationalen Gerichten überlassen, ob solche Handlungen andere Rechtsverstöße, wie unlauteren Wettbewerb oder Vertragsverletzungen, darstellen könnten. Der EuGH zog hier eine klare Linie, um die Balance zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und den Rechten der Nutzer zu wahren.

Auswirkungen auf die Gaming-Industrie

Das Urteil hat mehrere Konsequenzen:

  1. Für Spielehersteller: Unternehmen wie Sony müssen berücksichtigen, dass temporäre Eingriffe in den Arbeitsspeicher keinen umfassenden urheberrechtlichen Schutz genießen. Dies könnte den Druck erhöhen, technische Maßnahmen gegen Cheating zu verstärken.
  2. Für Entwickler von Zusatzsoftware: Anbieter wie Datel können unter bestimmten Bedingungen weiterhin Modifikationen anbieten, sofern diese nicht direkt auf den Quellcode zugreifen.
  3. Für die Spieler-Community: Die Entscheidung schafft rechtliche Klarheit, indem sie zeigt, dass kreative Modifikationen und Cheats in einem gewissen Rahmen erlaubt sind, solange sie nicht gegen andere rechtliche Vorgaben verstoßen.

Fazit

Der EuGH hat mit seiner Entscheidung einen präzisen rechtlichen Rahmen für den Umgang mit Modifikationen an Computerspielen geschaffen. Während der Schutz des geistigen Eigentums gestärkt wurde, bleibt Raum für Innovation und Nutzerfreiheit. Das Urteil ist eine hilfreiche Weichenstellung im Spannungsfeld zwischen Urheberrecht, Technologiefreiheit und den Interessen der Gaming-Industrie: Nun ist wieder der Bundesgerichtshof am Zug, der auf dieser Basis den Streitfall abschließend bewerten wird. Das allerdings kann noch einige Monate auf sich warten lassen (hier wird berichtet werden).

IT-Fachanwalt, Ihr Rechtsanwalt für Softwarerecht bei sämtlichen Fragen rund um die Entwicklung und den Vertrieb von Software im professionellen Umfeld. Dazu auch das LinkedIn-Profil beachten!
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT-Recht)
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