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Spitzenstellungsbehauptung bei Software

Superlative in der Werbung: Wenn „einfachste und effizienteste“ zu weit geht – Werbeaussagen mit Superlativen wie „das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem“ sind ein klassisches Mittel, um Kunden zu überzeugen. Doch was aus Marketingsicht verlockend klingt, kann wettbewerbsrechtlich problematisch sein.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einem aktuellen Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 9 U 443/25) klargestellt, dass solche Spitzenstellungsbehauptungen nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sind. Die Entscheidung betrifft einen Streit zwischen zwei Anbietern von Lernmanagement-Systemen (LMS) und wirft grundsätzliche Fragen zur Zulässigkeit von Alleinstellungswerbung, zur Dringlichkeit im einstweiligen Rechtsschutz und zur Abgrenzung zwischen legitimer Werbung und irreführender Geschäftspraxis auf.

Der Sachverhalt: Werbung mit Superlativen und ihre Folgen

Die Parteien des Verfahrens sind Wettbewerber auf dem Markt für digitale Lernlösungen. Die Beklagte warb auf ihrer Website und in einer Google-Ads-Kampagne mit den Slogans „das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem“ sowie „die einfachste & effizienteste LMS-Lösung“.

Die Klägerin, ein konkurrierender Anbieter, sah darin eine unzulässige Spitzenstellungsbehauptung und mahnte die Beklagte ab. Als diese die Unterlassungserklärung verweigerte, beantragte die Klägerin eine einstweilige Verfügung. Das Landgericht Mainz wies den Antrag zunächst zurück, da es zwar einen Wettbewerbsverstoß bejahte, die Geltendmachung der Ansprüche jedoch für rechtsmissbräuchlich hielt. Das OLG Koblenz korrigierte diese Entscheidung und gab der Klage statt.

Spitzenstellungsbehauptungen: Wann sind Superlative irreführend?

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung enthält. Bei Werbeaussagen, die eine Spitzenstellung behaupten, kommt es entscheidend darauf an, ob sie einen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern aufweisen. Das OLG Koblenz stellte klar, dass die Behauptungen „einfachste“ und „effizienteste“ nicht rein subjektiv sind, sondern einen messbaren Gehalt haben:

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich bei Werbeaussagen, die weder nach ihrem Wort- oder Bildsinn noch nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise einen objektiv nachprüfbaren Inhalt haben, keine Angaben im Rechtssinne sind (…). Kann ein Urteil offensichtlich insgesamt nur subjektiv gefällt sein, so scheidet eine Nachprüfbarkeit nach objektiven Maßstäben aus (…). Zudem ist erst recht eine Werbeaussage, die nach der Auffassung des Verkehrs inhaltlich nichts aussagt, schon begrifflich keine Angabe, weil ihr der Informationsgehalt fehlt (…).

Allerdings können auch allgemeine Anpreisungen, die in die äußere Form einer subjektiven Wertung gekleidet sind, verdeckt sehr wohl eine objektiv nachprüfbare Aussage enthalten. Das trifft insbesondere dann zu, wenn sie trotz der subjektiven Einfärbung doch als Hinweis auf die (nachprüfbare) Beschaffenheit der Ware aufgefasst werden. Um konkrete Beschaffenheitsmerkmale braucht es sich nicht zu handeln. Es genügt, dass die Anpreisung die Vorstellung einer technischen oder wirtschaftlichen Spitzenstellung, einer Spitzenqualität oder jedenfalls einer besseren Qualität als der durchschnittlichen hervorruft (…). Entscheidend ist, ob die Werbeaussage einen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern aufweist (…)

Effizienz lässt sich etwa an technischen Standards (z. B. ISO-Normen), Ressourcenverbrauch oder Zeitersparnis festmachen. Einfachheit kann durch Kriterien wie Bedienfreundlichkeit, Anzahl der benötigten Klicks oder Erfolgsquoten bei der Nutzung objektiviert werden. Da die Beklagte keine Belege für ihre Superlative vorlegte, waren die Aussagen nach Auffassung des Gerichts irreführend. Der Verkehr versteht solche Formulierungen als objektive Aussage über die Überlegenheit des Produkts – nicht als bloße Meinungsäußerung.

Das Gericht betonte, dass Spitzenstellungsbehauptungen besonders wettbewerbsrelevant sind, da sie das Ansehen der Mitbewerber untergraben und Kaufentscheidungen beeinflussen. Wer mit einer „besonders schlagkräftigen Waffe im Marketing“ (so das OLG unter Verweis auf frühere Rechtsprechung) operiert, muss sicherstellen, dass die Aussage haltbar ist.

https://www.ferner-alsdorf.de/spitzenstellungsbehauptung-im-werberecht-zur-werbung-mit-einer-alleinstellungsbehauptung/

Dringlichkeit und Rechtsmissbrauch: Warum die Klage nicht zu spät kam

Ein zentraler Streitpunkt war die Dringlichkeit des Verfügungsantrags. Nach § 12 Abs. 1 UWG wird die Eilbedürftigkeit vermutet, wenn ein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Die Beklagte argumentierte, die Werbung sei bereits seit April 2024 online, die Klägerin habe also zu lange gewartet. Das OLG wies dies zurück: Entscheidend sei, wann die Klägerin Kenntnis von dem Verstoß erlangte – hier erst im Januar 2025. Zudem führe die bloße Ausschöpfung der Berufungsfrist nicht automatisch zum Verlust der Dringlichkeit.

Interessant ist auch die Diskussion um Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG. Die Beklagte rügte, die Klägerin habe eine überhöhte Vertragsstrafe von 10.000 € gefordert und den Streitwert unangemessen hoch angesetzt. Das Gericht sah darin jedoch keinen Missbrauch:

  • Eine einmalige Forderung einer hohen Vertragsstrafe reiche nicht aus, um § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG zu erfüllen – hierfür sei eine systematische Praxis erforderlich.
  • Der Streitwert von 30.000 € sei angemessen, da die Werbung im Internet eine breite Wirkung entfalte und die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Interessen an der Unterbindung habe.
  • Die Formulierung der Unterlassungserklärung („bei Meidung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung“) sei zwar unpräzise, aber nicht als verschuldensunabhängige Sanktion zu verstehen.

Wiederholungsgefahr und Unterlassungsanspruch

Da die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, bestand nach Auffassung des Gerichts eine tatsächliche Vermutung für Wiederholungsgefahr. Diese Vermutung kann nur durch eine entsprechende Erklärung oder den Nachweis widerlegt werden, dass der Verstoß nicht mehr droht. Da beides fehlte, war der Unterlassungsanspruch begründet.


Superlative in der Werbung – nur mit Belegen zulässig

Das Urteil des OLG Koblenz unterstreicht, dass Spitzenstellungsbehauptungen nur dann zulässig sind, wenn sie nachweisbar sind. Unternehmen sollten bei der Verwendung von Superlativen besonders vorsichtig sein und sicherstellen, dass sie:

  • objektivierbare Kriterien für ihre Aussagen haben,
  • keine unbewiesenen Alleinstellungsmerkmale behaupten und
  • rechtzeitig auf Abmahnungen reagieren, um kostspielige Verfahren zu vermeiden.

Für die Praxis bedeutet das: Wer mit „bester“, „einfachster“ oder „effizientester“ wirbt, muss bereit sein, diese Behauptungen im Streitfall zu belegen. Andernfalls drohen Unterlassungsansprüche – selbst, wenn die Werbung bereits länger läuft. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass das Wettbewerbsrecht auch im digitalen Marketing klare Grenzen setzt.

IT-Fachanwalt, erfahrener und hochspezialisierter Rechtsanwalt für Softwarerecht bei sämtlichen Fragen rund um die Entwicklung und den Vertrieb von Software im professionellen Umfeld. Im Übrigen nicht nur Rechtsanwalt, sondern Doppel-Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht - spezialisiert als Strafverteidiger auf Strafverteidigung, Wirtschaftsstrafrecht. Im IT-Recht mit dem Schwerpunkt Softwarerecht ... und dazu Vollprofi in Cybercrime, IT-Forensik, Cybersecurity und digitale Beweismittel. Hier bei LinkedIn zu finden!
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